Kein Thema beschäftigt Politik und Gesellschaft derzeit so stark wie die Flüchtlingskrise. Neue politische und rechtliche Entwicklungen, welche einen koordinierten Umgang mit einer derart großen Anzahl von Flüchtlingen sichern sollen, finden täglich statt. Da Flüchtlingsunterkünfte vielerorts keine ausreichende Unterkunftsmöglichkeit bieten, suchen die Gemeinden nun verstärkt nach Alternativen. Dazu gehört auch die Räumung von privatem und gewerblichem Wohnraum.
In der Gemeinde Eschbach in Baden-Württemberg kam es bereits zum Ausspruch einer Kündigung einer gemeindeeigenen Wohnung aus Eigenbedarf. Die Mieterin wohnt bereits seit 23 Jahren in dieser 78 m² Wohnung und soll diese bis Jahresende verlassen. Sie beabsichtigt jedoch rechtliche Schritte gegen die Kündigung einzuleiten.
Eine erste gerichtliche Entscheidung zur Beschlagnahme von privatem Wohnraum erließ das Landgericht Lüneburg am 14. Oktober 2015. Die Stadt beschlagnahmte zur befristeten Unterbringung von 50 Flüchtlingen gegen Entschädigung ein Grundstück mit einer entkernten Villa, auf dem die Errichtung einer neuen Wohnanlage geplant war. Der Eigentümer wehrte sich unter Berufung auf sein Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG) im Eilverfahren erfolgreich gegen diese Maßnahme. Das Gericht stellte fest, dass die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme nach Polizeirecht nicht vorliegen, da diese nur als äußerstes Mittel in Betracht gezogen werden dürfe. Zuvor habe die Stadt sämtliche ihr zur Verfügung stehende Möglichkeiten auszuschöpfen. Dazu zählen die Beanspruchung eigener Unterbringungsmöglichkeiten sowie die Anmietung von Jugendherbergen, Ferienwohnungen und Hotelzimmern, auch wenn dies mit höheren Kosten verbunden sei. Die Inanspruchnahme von privatem Wohnraum sei somit erst dann legitim, wenn die Stadt die drohende Obdachlosigkeit von Flüchtlingen nicht rechtzeitig selbst abwehren könne.
In Hamburg wurde am 1. Oktober 2015 das höchst umstrittene „Gesetz zur Sicherung der Flüchtlingsunterbringung in Einrichtungen“ verabschiedet, welches die Sicherstellung von ungenutzten Grundstücken, Gebäuden und Gebäudeteilen ermöglicht. Voraussetzung hierfür ist, dass die Plätze zur Erstaufnahme- oder Folgeeinrichtung für die Unterbringung der Flüchtlinge und Asylbegehrenden nicht ausreichen.
Das Gesetz soll laut Informationen der Stadt jedoch nur die Räumung von Hallen und ähnlichen großflächigen Gebäuden ermöglichen. Private Wohnungen seien nicht betroffen.
Nach Hamburg erließ nun auch Bremen am 6. Oktober 2015 das „Gesetz zur vorübergehenden Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden“, welches dem Vorbild aus Hamburg zum Großteil entspricht. Einzige wichtige Abweichung ist jedoch, dass eine Sicherstellung ausdrücklich nur bei Grundstücken und Gebäuden mit einer Mindestfläche von 300 m² zulässig ist.